Samstag, 19. Juni 2010

Ein Hauch von Lebenszeichen

Hoffentlich hat noch niemand eine Vermisstmeldung aufgegeben oder kam sogar nach Polen mich suchen.
Ich kann Dich, lieber Leser, beruhigen: Mich gibt es noch.
Mein Schweigen in den letzten Tagen hat mehrere Gründe und der wichtigste ist auch der einfachste, wenn auch der banalste: Im Monat Mai war das Wetter grottenschlecht. Es war kalt und die sonnigen Tage konnte ich an knapp zwei Händen abzählen. Ich kenne jede Art von Regen: sanftweicher Nieselregen, oder eine Mischung aus langweiligem, monotonen "vom Himmel schütten" bis hin zu Sinnflutartigen, in Wellen auftretenden fiesen Weltuntergangsregen, der sich gerne den Scherz erlaubt, eine Runde zu drehen und zurückzukehren. Also, sollte ich doch einmal mein Wissen ausweiten, ich fange beim vertikalen Wasser an.
Das Wetter führte dazu, dass wir sehr wenig reisten und wenn, dann meistens zu Joannas Familie.


Die gewaltigen Wassermengen führten im Süden Polens zu massiven Überschwemmungen hauptsächlich am Fluss Wisła. In Toruń war das Ausmass längst nicht so tragisch, es kam nur unmittelbar am Flussufer zu Überschwemmungen:




Links befindet sich normalerweise ein Parkplatz und rechts vom blühenden Gebüsch ist ein Spazierweg mit Uferpromenade zum Sitzen und Verweilen. Aber mittlerweile sind die Spuren wieder verschwunden und nur etwas Sand blieb zurück.

Der Monat Juni begann hoffnungsvoll und warm. Doch muss Petrus immer alle Hoffnungen zerstören und es blieb noch ganz frisch bei uns. Nur gerade letzte Woche wurde es für wenige Tage über 30° warm. Aber was will ich klagen, in der Schweiz soll es ja auch nicht wärmer und trockener sein. Vielleicht gelingt es mir, einige Sonnenstrahlen im Handgepäck mitzunehmen.

Ich bleibe leider nicht mehr lange in Polen. Zum Monatswechsel komme ich zurück nach Bern und fange am 5. Juli wieder mit Arbeiten an. Aber ich versuche, noch ein paar Themen zum besten zu geben. Denn ganz untätig war ich auch wieder nicht.


(Wasser in den Ohren von Indochine - Hanoï)

Freitag, 7. Mai 2010

Streiffzug durch Toruń

Ab und zu passiert es, dass ich zu einem Spaziergang komme, den ich spontanen Weges auch gerne ausführe. Toruń bietet allerhand zum Entdecken, sei es die Altstadt oder auch der "Ring" um diese.
Mir fällt die Kunst auf, die, verteilt, oft etwas versteckt ist.
Am Hauptgebäude der Uni gibt es zu Ehren des Herrn Kopernikus ein grosses Wandbild:



In einem Skateshop im Keller hat eine junge Künstlerin aus Gdańsk ihre umgestalteten Schuhe und Skateboards ausgestellt. Das subiektiv schönste war dieses:





Ganz zufällig stiess ich auf ein Kunstexemplar, dass mir ein Lächeln auf die Lippen zauberte und bei dem ich den Finger nicht vom Auslöser losbekam. Desswegen besitze ich wohl als einziger Schweizer einen Abzug dieses Stillebens, dieses kraftvollen Stückes von dem währschaften Handwerk. Nein, ich will (noch) nicht lästern, ich fand es irgendwie süss und konnte es nicht sein lassen...
Bitte sieh selbst:





Das Erkennen von Kunst auf offener Strasse benötigt schon ein waches Auge, so habe ich diese vergessenen Studenten erst spät entdeckt. Langweilig ist es ihnen nicht, sie haben ja genug zu lesen:





In einer anderen Seitengasse der Altstadt wurden in einem unbenutzten Gebäude die Fenster neu dekoriert. Die Malereinen sind noch brandneu aus dem letzten Jahr.


  









Es ist doch eine hohe Kunst, sein allergeliebstes Auto zu verschönern und das eigene wie auch das Selbstwertgefühl vom Auto zu steigern. Allerdings gehen solche Versuche oft in die Hose und das Ergebnis zielt stark am Ziel vorbei. Ein spezielles Exemplar fand ich beim Spazieren und das Auto tat mir doch ein bisschen leid, es möchte doch sooo gerne etwas Anderes, etwas Besseres sein, aber es gelingt irgendwie nicht. Verflixt und zugenäht ist das aber eine blöde Situation, wenn alle auf der Strassse über einen lachen und vielleicht sogar hupen. Aber sieh selbst, in welchem Dilemma dieser Toyota mit seinem Kennzeichen steckt:



Ostpole zu sein ist nicht schwer, BMW dagen sehr.


Zum Schluss meines Streiffzuges gibt es noch ein Naturfoto. In Toruń gibt es einige Grünflächen, mal grosse Parks, mal kleine Wiesen mit jeder Menge Denkmäler und reichlich verziert mit vielfarbigen Blumen und sogar ein kleiner Weiher liegt ruhig zwischen Hauptstrasse und Schrebergärten:





( Musikalischer Spaziergang mit Goya - Smak Słów)

Firmennamen, oder wie erkennt man den Hauch von Patriotismus? Teil 1

Seit meinem ersten Besuch in Polen fällt mir eine Geschäftsidee auf, die unverkennbar und genial ist.
In der Schweiz werden die Produkte mit dem Schweizerkreuz versehen oder, für den Export auch noch existentiell wichtig, man schreibt Swiss Made drauf.
In Polen passiert das ganz viel subtiler, ohne dass es einem auffällt, doch bleibt es im Gehirn hängen. Bei einem X-beliebigen Namen wird hinten ein "...pol" angehängt und fertig ist unser neuer Firmenname. Eine meiner spontanen Beschäftigungen in Polen ist es, aufmerksam durch die Städte zu gehn, und vielleicht zufällig auf einen neuen Namen zu stossen. Oftmals sind Autos beschriftet und natürlich auch Lebensmittel.
Hier meine ersten Beispiele:

Ein Kalender eines Schuhherstellers, gesehen in Olsztyn




Ein Kleider- und Schuhgeschäft in Toruń




Ein kleiner Shop im Keller, der Handys und Zubehör verkauft. Aber das Beste an solchen underground Handyshops ist, dass sie schnell und günstig jeden SIMLock entfernen. Das kam mir auch schon mal entgegen. Die Zubehörfirma hat sich einen internationalen Namen  ausgedacht...




Im meiner Top 5 der "pol-Artikel" fällt eine Delikatesse, die mit grossem Hunger vernichtet wurde:




Leider wird mir meine Geschäftsidee mit Swisspol nicht gelingen, schon zu viele andere haben sich den Namen zueigen gemacht. Aber vielleicht hast Du einen Vorschlag? Bernpol? Jodelpol? Fernwehpol? Fonduepol?


( Old School mit Wax Tailor - Tales of the Forgotten Melodies )

An meinen geliebten Arbeitgeber

Das Leben eines polnischen Handyverkäufers hat schon etwas... Angenehmes.
Das SITZEN am Pult während des Bedienens stelle ich mir halt schon irgendwie "professionell" und wirksam vor, auch auf die Kunden. Es erinnert mich sofort an ein Reisebüro.
Ein langjähriger Swisscommitarbeiter sagte mir einst, ganz früher sassen die Verkäufer schon an Pulten.
Wenn mein Polnisch dann mal gut genug ist und ich einen neuen Job suche, dann weiss ich, wo ich mich als erstes bewerbe.
Aber nein, liebe Kolleginen und Kollegen, ich bleibe Euch in Bern treu. Aber das mit dem Sitzen, das hat mir halt schon imponiert:







(Es sitzt im Ohr Depeche Mode - Touring the Angel - Live in Milan)

Montag, 26. April 2010

Olsztynek Teil 2: Skansen

Auf dem Holzschild stand: Skansen.
Und nach ein paar Hundert Meter war denn auch dieses "Skansen" erreicht.

Der Begriff beschreibt ein Freilichtmuseum, also einen polnischen Ballenberg.
In diesem Ethnografischen Park von Olsztynek waren Häuser und und andere Bauten aus dem 18. bis 20. Jahrhundert anzuschauen. Die meisten waren Bauernhäuser von einfachen Menschen. Es gab auch Wirtshäuser, eine  Kirche und Windmühlen, die damals unter anderem aus den Niederlanden importiert wurden.

Wir besuchten den Park am ersten Eröffnungstag und deswegen waren noch nicht alle Gebäude zugänglich.

Die Dorfkirche sieht stattlich aus und besteht fast nur aus Holz:






Leider war die Kirche geschlossen, wir verpassten die vielfältigen Wandmalereien im Inneren.
Manche Bauernhäuser erinnerten mich an unser altes Haus in Schüpbach wegen dem Rieg in den Wänden:






Je nach Region waren die Häuser innen recht dunkel und hatten nur wenige und kleine Fenster, andere wiederum waren hell und freundlich.
Die typische Einrichtung einer Küche:






Ganz angenehm waren auch die die Tiere, die sich frei bewegen durften. So entdeckten wir einen Stall, in dem es eindeutig roch und erst einige Zeit später trafen wir auf dessen Einwohner:






Viele Hühner, Kaninchen, auch Fasane und Gänse kreuzten unseren Weg. Im Sommer gibt es dann sicher noch viel mehr Tiere im Park.

Um Dir einen Überblick zu geben, aus welchem Gebiet diese Bauten stammen, habe ich Dir einen Link vorbereitet. 
Auf diesem Kartenausschnitt befand sich unterhalb von Gdańsk das " Gebiet unterhalb der Weichsel". Östlich davon beginnt das Ermland und Masuren. Im heutigen Kaliningrad war um diese Zeit das Samland und ganz im Osten Kleinlitauen.

So, fertig mit der Geografiestunde! Sei froh, dass Du diese vor Deinem PC hattest und nicht wie die Schüler damals in einem solchen Schulzimmer:






Als wir den Park verliessen, besuchten wir noch ein grosses Gasthaus beim Eingang des Parkes und assen dort leckere polnische Speisen.
Müde, satt und befüllt mir Erlebnissen nicht nur vom Park, sondern auch von der Glasbläserei, erwischten wir den Kleinbus nach Hause zurück.



(Altes von Johnny Cash - The Man Comes Around und Solitary Man)

Freitag, 23. April 2010

Multifunktionelles Gemüse

Nachts, wenn der Einbrecher kommt, er die Haustüre unten zur Strasse öffnet, danach schleichend den zweiten Stock betritt und sich an die unsrige Vorwohnungstür heranmacht, dann braucht er nur noch die DRITTE, unsere richtige Wohnungstür aufzubrechen und wir könnten ihn hiermit glatt erschlagen:




Dieser Spinat ist wirklich multifunktionell.
Dank seiner flachen, eckigen Form und durchgefrohrenheit




lässt er sich alternativ als Einbrecherschreck, Tischtennisschläger oder als kühlendes Rückenpflaster zweckentfremden.

Ach ja, heute Abend wurde er angebrochen und schmeckte uns vorzüglich.

Montag, 19. April 2010

Olsztynek Teil 1: Die Glasbläserei

Es stand eine Reise an.
Das Ziel war mir erst unbekannt, wurde aber sofort erkannt, als wir in den Kleinbus einstiegen.
Die Fahrt ging von Olsztyn nach Olsztynek, einer kleinen, verschlafener Stadt südlich von Olsztyn.

Kurz vor dem Ortseingang stiegen wir aus und auf der gegenüberliegenden Strassenseite befand sich unser erster Besuchspunkt: Eine Glasbläserei.
Begrüsst von einem Hund und der Besitzerin warfen wir zuerst einen Blick in den Verkaufsraum.
Nein, es war keine ordinäre Trinkglasbläserei oder so was ähnliches, es war eine kreative, kleine, aber feine Manufaktur.
Wir staunten über die Vielzahl und Vielfalt der Kunst, die uns präsentiert wurde:
Engel, Vögelchen, Fische, Schwäne, Elefanten, Katzen, Früchte, Serviettenhalter, Blumen, Vasen, Gläser, Becher, Krüge, Fläschchen...
Besuche die Homepage von der Glasbläserei und schaue dir das Angebot an, es sieht wunderbar aus. Unterhalb vom Text "SZKŁO" findest du die links zu den vielfältigen Kunstwerken.

Nachdem wir uns vom Bestaunen wieder etwas gesammelt haben, durften wir die Werkstatt besuchen und wurden von vier rüstigen, leicht bekleideten Herren begrüsst.
Das Glasblasen war im vollen Gange und es wurden gerade Äpfel und Birnen hergestellt.
Hier bekommt ein Apfel einen Stiel aufgesetzt:




Mit einem Klecks flüssigem Glas...




...und einer ruhigen Hand...




...entsteht ein Blatt, das jetzt nur noch zurechtgebogen werden muss...




Ja, die Herren sind alle zufrieden mit dem erschaffenen Apfel:




Warum sie so leicht gekleidet arbeiten?
Beim Eingang stehen zwei Ventilatoren und weitere sind im Raum untergebracht. Es herrschten im Raum gut und gerne über 50° Celsius und bei den Öfen war es noch wärmer. Desswegen arbeiten sie auch im Winter im leichten Hemd und in kurzen Hosen.

Es war ja klar, wer dann am Schluss noch zum Glasblasen geholt wurde:





Ich kriegte eine kleine Kugel am Stiel in die Hände gedrückt mit der Ermahnung, immer brav zu drehen, nur wenig Luft hinein blasen und ja nicht ziehen!
Es gelang mir alles, nur gab ich etwas zu viel Luft und der Meister war dann nicht ganz zufrieden mit mir.
Aber als Anfänger habe ich mich, denke ich, ganz gut geschlagen.

Ganz ausser Atem von der Aktion, durften wir uns noch das Apfellager anschauen. Dieser Ofen hatte "nur" ca. 500° Celsius, gegenüber dem Schmelzofen mit seinen 1100° Celsius, und dort wurden die frisch geblasenen Kunstwerke gute acht Stunden zwischengelagert, bevor sie dann endgültig gekühlt werden.




Ende des Besuches stiess meine Aufmerksamkeit auf eine witzige Maschine, die etwas Abseits stand und leider nicht im Betrieb war.




Das Glas wird oben eingespannt und unten auf dem Teller sind rotierende Gasdüsen befestigt, die das überschüssige Glas sauber trennen und mit ihrer Hitze einen sauberen Rand brennen.

Verschwitzt und prallvoll mit den Eindrücken verabschiedeten wir uns von allen und nahmen den Weg zurück über die Strasse. Dort erblickten wir das grosse Holzschild, das uns der Weg in eine Ausstellung der besonderen Art wies. Doch darüber im zweiten Teil.


(Akustisch ins Ohr geblasen von Gorillaz - Demon Days und Apocalyptica - Cult)